Unentgeltliche Akquise oder entgeltliche Tätigkeit?

Redaktion Steuer und Recht, VfA kommentieren

Peter AstnerDie akquisitorische Tätigkeit eines Architekten ohne vertragliche Bindung begründet keinen Vergütungsanspruch. Der Architekt kann grundsätzlich eine Vergütung nach den Mindestsätzen der HOAI nur verlangen, wenn eine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde und seine Leistungen hiervon umfasst sind. Doch wo liegt die Grenze und welches Honorar wird geschuldet?

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof im Rahmen seines Urteils vom 16.03.2017 – VII ZR 35/14 zu entscheiden. In dem betreffenden Fall begehrte der klagende Architekt von der Beklagten Honorar für Architektenleistungen zu den Leistungsbildern Objektplanung, Tragwerksplanung und Technische Ausrüstung nach der HOAI.

Die Beklagte, eine kommunale Wohnbaugesellschaft, beabsichtigte, eine ihr gehörende Wohnanlage zu modernisieren und umzugestalten. Für die Durchführung des Vorhabens benötigte sie die Bewilligung von Fördermitteln und einen Interessenten, der bereit war, das Objekt anzumieten. Daher bat die Beklagte den später klagenden Architekten, verschiedene Umbauvarianten zu erarbeiten, die potentiellen Mietinteressenten vorgestellt werden sollten. Je nach Rückmeldung wollte die Beklagte entscheiden, ob und wie der Umbau gestaltet werden sollte. Zudem benötigte die Beklagte für die Beantragung der erforderlichen Fördermittel Planungsunterlagen.

Der klagende Architekt erstellte eine Studie, die mögliche Varianten auswies und kostenmäßig bewertete; außerdem fertigte er hierzu eine Broschüre. Diese ließ er der Beklagten zukommen und teilte mit, dass die diesbezüglichen Leistungen im Rahmen seiner Akquisition kostenfrei seien. Darüber hinaus bot er der Beklagten für die weiterführenden Arbeiten bis zur Klärung der detaillierten Bauaufgabe eine Abrechnung auf Grundlage des tatsächlich benötigten Zeitaufwands an und teilte mit, „diese Aufwendungen bei dem noch abzuschließenden Architektenvertrag mit dem dort vereinbarten Honorar zu verrechnen“.

In der Folgezeit erbrachte der Kläger weitere Planungsleistungen und stellte zwei Rechnungen auf Grundlage des benötigten Zeitaufwands über 20.775,60 € und über 9.504,53 €. Die Beklagte beglich beide Rechnungen.

Wegen Wohnungsleerstand in anderen Objekten der Beklagten wurde das Bauprojekt nicht durchgeführt und die Beklagte beendete die Zusammenarbeit mit dem Kläger. Daraufhin erstellte der Kläger Schlussrechnung auf Grundlage der HOAI und errechnete ein Gesamthonorar von 112.600,44 €, von dem er die bereits geleisteten Zahlungen der Beklagten in Abzug brachte. Das Landgericht Gera hat die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht Jena die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof gab dem klagenden Architekten Recht und hob die Entscheidung des OLG Jena auf, und zwar mit folgender Begründung:

Eine akquisitorische Tätigkeit des Architekten ohne vertragliche Bindung begründet einen Vergütungsanspruch nach den Regelungen der HOAI nicht. Die vergütungsfreie Akquise akquisitorische Phase endet aber, sobald eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird. Ab diesem Zeitpunkt gelten für die Vergütung des Architekten neben den vertraglichen Bestimmungen die Regelungen der HOAI. Denn nach § 1 HOAI finden deren Bestimmungen für die Berechnung der Entgelte für die Leistungen der Architekten und Ingenieure Anwendung, soweit sie durch Leistungsbilder oder andere Bestimmungen der HOAI erfasst werden. Für diese Leistungen gelten gemäß § 4 Abs. 2 und 4 HOAI grundsätzlich die Mindestsätze der HOAI als vereinbart. Die Mindestsätze der HOAI sind für die Berechnung der vereinbarten Vergütung zwingend maßgeblich, wenn der beauftragte Architekt sich dazu verpflichtet hat, Architekten- oder Ingenieuraufgaben zu erbringen, die in der HOAI beschrieben sind. Die Mindestsätze sollen dazu dienen, den vom Gesetzgeber gewollten Qualitätswettbewerb zu fördern und einen ungezügelten, ruinösen Preiswettbewerb zu unterbinden, der die wirtschaftliche Situation der Architekten und Ingenieure und damit auch die Qualität der Planung und die unabhängige Stellung des Planers zwischen Bauherr und Unternehmer beeinträchtigen würde.

Dies wäre nicht hinreichend gewährleistet, wenn der Bauherr im Rahmen einer „entgeltliche Akquise“ eine Vergütungsvereinbarung unter Umgehung der Mindestsätze der HOAI herbeiführen könnte.

Im betreffenden Fall haben die Parteien unstreitig nach Abschluss der unentgeltlichen Akquisetätigkeit eine entgeltliche Vereinbarung über Leistungen des Architekten, die in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben sind, getroffen. Daher sind die Mindestsätze der HOAI für die Berechnung der vereinbarten Vergütung maßgeblich.

Ergebnis:
Der Architekt, der sein Honorar gerichtlich einfordert, muss nachweisen, dass ein Architektenvertrag geschlossen wurde und insofern eine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde. Ist die vertraglich vereinbarte Leistung des Architekten in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben, so sind für die Berechnung der vereinbarten Vergütung die Mindestsätze der HOAI maßgebend.

 

Prof. Peter Matthias Astner, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht an der Hochschule Rosenheim

E-Mail
moeller-rae

Schreibe einen Kommentar