Die Errichtung eines Einfamilienhauses in Sichtbeton stellt eine hochproblematische Bauweise dar. Berücksichtigt der Architekt die damit zusammenhängenden besonderen Probleme nicht im Rahmen einer ausreichenden Vorplanung, so ist seine Leistung mangelhaft!
Dies entschied das OLG München mit Urteil vom 16.07.2014 – 13 U 4413/13 Bau; der Bundesgerichtshof bestätigte dieses Urteil knapp drei Jahre später durch aktuellen Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZR 222/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
In dem streitgegenständlichen Fall war der beklagte Architekt von den Klägern für die Leistungsphasen 1 bis 8 zur Errichtung eines Einfamilienhauses als „Sichtbetonbau“ beauftragt worden. Zur Definition hierfür formulierte das Gericht in schöner Weise: „Dies ist durch die Eigenheit gekennzeichnet, dass weder Innen- noch Außenwände oder Decken verputzt werden.“ Die Parteien beendeten den Architektenvertrag einvernehmlich wegen Unstimmigkeiten und der Architekt stellte insofern Bauleitung und Überwachung ein, jedoch erst zu einem Zeitpunkt, als der Rohbau bereits komplett fertig gestellt war. Im Nachhinein traten Mängel am Sichtbeton auf, die nach Auffassung der Bauherren vom planenden und überwachenden Architekten hätten erkannt werden müssen. Die Kläger verlangen daher Schadensersatz in Höhe von knapp 125.000,00 €.
Das Gericht war der Auffassung, dass die Planung des Architekten sich nicht ausreichend mit den spezifischen Besonderheiten und Gefahren von „Sichtbeton“ auseinandersetzte. Diese Bauweise ist laut dem Gericht „hochproblematisch“, d.h. in seiner Ausführung sehr anfällig für Mängel. Dies muss ein Architekt bereits bei seiner Planung beachten. Drohende Mängel, die sich aufgrund dieser besonderen Bauweise ergeben, muss er kalkulieren und eine darauf angepasste Vorgehensweise wählen, um solche spezifischen Mängel zu vermeiden. Gleiches gilt für die Bauüberwachung. Hier trifft den Architekten eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich der spezifischen Gefahren.
Plant der Architekt dagegen, ohne auf die Besonderheiten der Bauweise einer Ausführung in „Sichtbeton“ näher einzugehen, dann ist diese Planung zu oberflächlich und damit mangelhaft. Dieser Maßstab ist auf die Bauüberwachung zu übertragen.
Ergebnis:
Der mit der Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragte Architekt schuldet dessen mangelfreie Erstellung. Nur dann, wenn dieses Werk tatsächlich mangelfrei ist, tritt der von ihm geschuldete Erfolg ein.
Entscheidet sich der Bauherr für eine Bauart, die einem besonderen Ausführungsrisiko unterliegt, so ist der Architekt verpflichtet, darauf hinzuweisen und Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko möglichst gering zu halten.
Letztlich stimmt dies auch überein mit der Rechtsprechung zur Verwendung besonderer Baustoffe. Auch hier ist der Architekt verpflichtet, auf spezifische Gefahren hinzuweisen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände das Risiko von Mängeln so gering wie möglich zu halten.
Die vorliegende Rechtsprechung verwundert auf den ersten Blick, da man sich im Allgemeinen nicht der besonderen Schwierigkeiten bei der Errichtung eines Objekts in der Bauart „Sichtbeton“ bewusst ist. „Beton ist Beton“ werden Viele – irrtümlich – sagen und dabei vergessen, dass an die Planung und Ausführung andere Maßstäbe zu setzen sind, wenn das Aussehen des Objekts dauerhaft davon geprägt ist als wenn Beeinträchtigungen, die auch nur optischer Art sein mögen – durch einen Putz kaschiert werden können. Rechtlich betrachtet ist diese Entscheidung aber konsequent.
Prof. Peter Matthias Astner, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht an der Hochschule Rosenheim