Malerarbeiten muss der Architekt grundsätzlich nicht überwachen; eine Überwachungspflicht für Selbstverständlichkeiten kann nur angenommen werden, wenn Zweifel bestehen, ob der Bauunternehmer die Vereinbarung einhalten wird, weil sie vom üblichen Ablauf abweicht oder der Bauunternehmer erkennbar unzuverlässig ist.
Dies hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 19.2.2016 (Az.: 11 U 21/15) festgelegt und wurde darin durch den Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23.1.2019 – VII ZR 270/16 bestätigt.
Die Bauherrin ließ ein denkmalgeschütztes Gebäude in ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt vier Wohneinheiten umbauen, und zwar unter Berücksichtigung ökologischer Vorgaben. Dazu beauftragte sie den beklagten Architekten mit der Bauüberwachung. Den ebenfalls beklagten Inhaber eines Malerbetriebs beauftragte sie, „750 lfdm Holzbalken zweimal mit Hartwachsöl zu streichen“. Während der Ausführung der Arbeiten wurde auf der Baustelle eine leere Dose „B Bläueschutzgrund“ gefunden. In der kurz darauf veranlassten Baubesprechung erklärte der Maler, dass er mit dem Produkt nur eine geringe, vom Holzwurm befallene Fläche behandelt habe und dies „gar nicht schlimm“ sei, da es verfliege und man darüberstreichen werde. Der Architekt rügte daraufhin den Maler schriftlich, das Innenfachwerk mit einem Bläueschutzgrund behandelt zu haben. Nach Bezug der vermieteten Wohnungen klagten die Mieter über Gesundheitsbeschwerden und kündigten die Mietverhältnisse, sodass die Wohnungen seitdem unvermietet sind. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass in den Wohnungen Konzentrationen von Holzschutzmittelchemikalien vorliegen würden und gesundheitliche Gefährdungen, insbesondere für Risikogruppen, bei chronischer inhalativer Aufnahme nicht auszuschließen seien.
Die klagende Bauherrin vertrat die Auffassung, dass auf sämtlichen innenliegenden Holzbalken ganzflächig Holzschutzmittel aufgetragen worden sei und die verwendeten Wirkstoffe gesundheitsschädlich und daher für die Verwendung in Innenräumen nicht zugelassen seien. Der mit verklagte Architekt hätte sich davon überzeugen müssen, dass der Maler nur das ausgeschriebene Hartwachsöl verwende. Außerdem hätte dem Architekten die Verwendung von Bläueschutzgrund auf sämtlichen innenliegenden Holzbalken auffallen müssen, da sich die Arbeit vermutlich Tage hingezogen habe.
Das Oberlandesgericht wies die Klage gegen den Architekten durch Teilurteil ab, da der klageweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen ihn offensichtlich nicht besteht.
Mit der Bauüberwachung übernimmt der Architekt die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen und dazu das ihm Zumutbare beizutragen. Die ständige Anwesenheit des Architekten auf der Baustelle ist dazu nicht notwendig. Seine Aufsicht ist aber gefordert, wenn es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Erreichung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind, wie etwa Abdichtungs- oder Isolierarbeiten, Verarbeitung neuer Baustoffe und vorgefertigter Teile. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen, gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, braucht der Architekt im Zweifel nicht zu überwachen. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich erkennbar um unzuverlässige, wenig sachkundige oder erkennbar unsichere Bauunternehmer handelt.
Das Gericht verneinte daher in dem vorliegenden Fall die Verpflichtung des Architekten, den Anstrich der Holzbalken mit Hartwachsöl zu kontrollieren, da es sich um eine einfache Tätigkeit handelt, deren Beherrschung von einem Malerbetrieb erwartet werden kann. Soweit die klagende Bauherrin nicht nur die unsachgemäße Aufbringung des Mittels rügte, sondern die Verwendung eines anderen Mittels, so stellte das Gericht diesbezüglich fest, dass es nicht Aufgabe eines Architekten ist, ohne besondere Umstände den Einsatz eines vertraglich eindeutig bezeichneten Materials zu überprüfen. Auf die Verwendung des vom Malerbetrieb angebotenen und beauftragten Anstrichs kann sich der Architekt regelmäßig verlassen. Es gab vorliegend für den Architekten auch keine Anhaltspunkte, um an der Zuverlässigkeit des Malerbetriebs zu zweifeln.
Ergebnis:
Mit der Entscheidung wird die Grenzlinie der Bauüberwachungspflicht des Architekten geschärft. Vielen Bauherren bietet sich der bauüberwachende Architekt und vor allem dessen Berufshaftpflichtversicherung als Absicherung des Insolvenzrisikos einzelner Unternehmer an. Auch das neue Bauvertragsrecht hat daran relativ wenig geändert. Es herrscht noch immer das Bewusstsein, dass „zumindest der bauüberwachende Architekt haftet, wenn etwas schief geht“. Mit dieser Erwartungshaltung wurde wohl auch in dem gegenständlichen Fall der bauüberwachende Architekt mit verklagt – ohne Erfolg, wie sich zeigte.
Hans Küsswetter
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht