Die Kammer kreißt – und gebiert eine Homepage

Redaktion Berufspolitik kommentieren

Josef Wensauer Architekt VfADie Bayerische Architektenkammer hat ihren Internet-Auftritt erneuert.
Präsidentin Degenhart schreibt im Newsletter „Kammer in Kürze 2/2017“, die Umstellung habe enorme finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen der Kammer gebunden. Wie anderswo zu hören ist, wurde aus dem Kammer-Budget ein hoher sechsstelliger Betrag dafür ausgegeben.

Beim Neu-Start eines derart komplexen Internet-Auftrittes ist Verständnis für gewisse Kinderkrankheiten angebracht.
Vielleicht hätte sich ja ein Teil der noch vorhandenen Fehler während der Vorschaltung einer Testphase mit ausgewählten Nutzern noch finden und korrigieren lassen. Nun findet diese Testphase zum Nachteil des Gesamteindruckes mit allen Nutzern statt.
So hakt das Tool zur Architektensuche, das vermutlich seit MS-DOS-Zeiten nicht mehr überarbeitet wurde, gewaltig.
Dass so etwas ganz geschmeidig funktionieren kann, zeigt ein Besuch auf verschiedenen Homepages anderer Architektenkammern. Auch der wohl überhaupt nicht in Erwägung gezogene und mangels Übersichtlichkeit völlig unbrauchbare Aufruf der Seiten mittels Smartphone oder Tablet ist vielleicht mittelfristig noch heilbar; es sei die Anregung erlaubt, dabei auch an die Benutzer von Lesebrillen zu denken – was im Hinblick auf die Barrierefreiheit gefallen könnte.
Und der überschwängliche Einsatz hochauflösender Bilder schon auf der Startseite wird beim Aufruf aus nichtstädtischen Regionen mit langsamer Datenrate allein wegen der langen Ladezeiten wohl wenig Freude machen.

Das kann man aber alles noch ändern.

Das Ergebnis ist trotzdem eher enttäuschend, denn es ist der Gesamteindruck, der, wie ich finde, in die völlig falsche Richtung geht.
Schon der graphische Ansatz spricht eine Sprache, die mir als öffentlicher Auftritt der Kammer nicht gefällt.
Auf dem weitaus größten Flächenanteil prangen preisgekrönte erfolgreiche Architekturbeispiele zweifellos sehr guter Kollegen. Das ist zwar schön und toll, gehört hier aber nicht hin und dafür gibt es schon ein breites Angebot an Hochglanz-Zeitschriften.
Hat die Kammer, hat unser Berufsstand diese Art der Selbstdarstellung auf der eigenen Homepage wirklich auch noch nötig? Entsteht durch so eine Darstellung nicht vielleicht sogar bei vielen Nutzern eher eine Hemmschwelle, bei einem elitären Verein von lauter Preisträgern und Supererfolgreichen nach manchmal eher banalen, aber dennoch wichtigen Informationen zu suchen?

Wer sich dann trotz eines solchen Eindruckes noch traut, weiter zu surfen, wird vom extrem unübersichtlichen und überfrachteten Aufbau – nicht nur der Startseite – abgestoßen oder fällt irgendwann in eine Sackgasse, in der es heißt: „Fehler 404, Seite nicht gefunden…oder so ähnlich. Wie unorganisiert wirkt das denn im Zusammenhang mit der Fotostrecken-Perfektion?

Ich glaube, es wäre viel besser gewesen, weniger Wert auf die Präsentation sicher und unbestritten toller Bauten
herausragender Kollegen zu legen und anstatt dessen viel mehr Gewicht in das Angebot wesentlicher und kurzer Erst-Information und vor allem in eine klare, gedanklich saubere, leicht verständliche und schnell auffassbare Struktur.

Wer schnell etwas sucht, wird hier nicht gut bedient; ob Kollege oder Kunde.

Für mehrere Jahre Arbeit und viel ausgegebenes Geld aus den Beiträgen der Kolleginnen und Kollegen ist das erreichte Ergebnis meiner Meinung nach nun sehr mager, und es ist darüber hinaus zu befürchten, dass fraglos notwendige Korrekturen wohl noch einmal gewaltige Löcher ins Budget reißen werden.

Ich erinnere auch an das nun schon über ein Jahr vergangene Berufspolitik-Seminar “Quo vadis”, aus dem mir zumindest als eines der wichtigsten Erkenntnisse im Gedächtnis geblieben ist, dass wir als Berufsstand viel zu wenig über
unser wahres Bild in der Gesellschaft wissen. Ich meine, der Vorstand wollte dazu etwas in Auftrag geben.

Dann dennoch und ohne Einbezug von Erkenntnissen aus einer entsprechenden Marktforschung einen solchen, so fast überheblich wirkenden Internet-Auftritt zu veranstalten, verstehe ich nicht.

Um es in der Sprache des Wettbewerbswesens zu sagen:
Der vorliegende Entwurf läuft vielleicht Gefahr, in der ersten Runde auszuscheiden.

Josef Wensauer
Architekt VfA
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