An euch, für die es noch möglich ist, macht einen Erasmus + Austausch! Ihr werdet sogar bezahlt. Und das sogar gar nicht so so schlecht. Zumindest wenn ihr nach Glasgow geht. Da war ich gerade für die letzten vier Monate. Zur Auswahl standen unter anderem die Bauhaus-Universität Weimar, die Universität der Künste Berlin UDK, The Royal Danish Academy of Fine Arts Copenhagen, die École Nationale Supérieure d’Architecture Paris – Malaquais, sowie auch The Glasgow School of Art – GSA Macintosh School of Architecture, für die ich mich entschied.
Bevor ich nach Glasgow flog, habe ich mich so wenig wie möglich informiert. Ich wollte überrascht werden. Was ich dann auch wurde. Ein vor drei oder vier Jahren abgebranntes Macintosh Gebäude, Grüne Parks mit viel Wasser, eine Hauptuniversität, die aus einem Harry Potter Roman stammen könnte und offene, herzliche Menschen mit einem Dialekt, der meiner Meinung nach dem Bayerischen sehr nahe kommt. Keine durch Ruß schwarz gefärbten Gesichter, keine Kneipenschlägereien und keine Straßengangs.
Viel Party gibt es aber, Glasgow ist nämlich keine Stadt mit Straßengangs sondern mit Studentengruppen in Feierlaune. Jeden Abend gibt es eine. Zwar nur bis drei Uhr, denn da ist Sperrstunde, aber dafür um so intensiver. Auf der Straße darf kein Alkohol getrunken werden, was ich wiederum wirklich auf Straßengangs zurückführen würde und nicht auf ausschweifend Party machende Studentengruppen. Naja durch die Partys habe ich mich im ersten Monat gekämpft. Das wird – glaube ich – so von einem erwartet. Aber nach einem Monat war das auch genug für mich. Außerdem musste ich ja auch studieren. Das wird wirklich von einem erwartet.
Gemeinsam mit fünf anderen Erasmus Austauschstudenten aus Porto, Berlin und Weimar und ungefähr 80 Schotten und Engländern saß ich in einem großen Arbeitsraum. Geplant wurde in diesem Semester eine so genannte „Vertical“ oder „Urban“ Farm in einem bestehenden Parkhaus im Zentrum Glasgows. Vertical Farming ist ein Begriff der Zukunftstechnologie, die eine tragfähige Landwirtschaft und Massenproduktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse im Ballungsgebiet der Städte in mehrstöckigen Gebäuden ermöglichen soll. Die Begründung warum das alles in einem Parkhaus geplant werden sollte war, dass diese in der Zukunft nicht mehr gebraucht werde – zwecks Entmotorisierung der Gesellschaft.
Die ersten Wochen wurde in Gruppen gearbeitet. Ein Konzept sollte darüber entwickelt werden, welche Pflanzen verwendet werden und welcher öffentlichen Zugang zu dem geplanten System gesetzt wird. Zu dem kommerziellen Teil der „Vertical Farm“ sollte nämlich noch ein öffentlicher Teil angefügt werden. Mit meiner Partnerin entschied ich mich für den im Moment noch im Trend liegenden Matetee aus Südamerika, da dieser in seiner Ertragsrate sehr hoch liegt. Und als öffentliches Konzept sollte ein Teehaus hinzugefügt werden.
Für den Gestaltungsprozess arbeiteten wir alleine. In meinem Projekt habe ich mich durch einen Text über das Panoptikon geschrieben von Michel Foucault, ein Gefängnistyp, der die innere Sicherheit durch konstante Überwachung generiert, beeinflussen lassen. Denn ein komplett Computergesteuertes Ökosystem hat in meinen Augen damit viel gemeinsam. Wenig Raum für Zufälle durch komplette Kontrolle. Die Pflanzen wachsen genau so wie der Mensch beziehungsweise das System es zulässt. Darin sehe ich eine gewisse Perversität, welche ich durch mein Projekt unterstreichen wollte. Meine Intervention für das Parkhaus war ein solches Panoptikon oben auf das Parkhaus zu setzen. In den Zellen wachsen die Matepflanzen und im Wachturm sitzen die Teehausbesucher in der Rolle des Aufsehers, beschienen durch UV-Lampen.
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Im Großen und Ganzen war der Austausch für mich eine sehr gute Erfahrung einfach nur um einmal zu sehen, wie an anderen Universitäten gearbeitet wird und somit ein genaueres Bild zu bekommen, was gut und was schlecht an dem System der eigenen Universität ist.
Ruben Stadler
Architekturstudent