RA Peter Astner

BGH: Grenzüberschreitende Wärmedämmung muss von Nachbarn bei Neubauten nicht geduldet werden

Redaktion Steuer und Recht kommentieren

Die Eigentümer eines Gebäudes, welches in den Jahren 2004/2005 als ungedämmtes Mehrfamilienhaus direkt an die Grundstücksgrenze gebaut worden ist, haben keinen Anspruch darauf, dass der Nachbar eine nachträgliche grenzüberschreitende Wärmedämmung duldet. Dies hat der Bundesgerichtshof am 2. Juni entschieden (BGH, Urteil vom 02.06.2017 – V ZR 196/16, Urteilstext liegt noch nicht vor). Denn der Bauträger habe beim Bau des Gebäudes bereits die damals geltenden Wärmeschutzanforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2001 berücksichtigen müssen.

Die Eigentümer hatten im Jahr 2005 Dämmmaterial angebracht, welches sieben Zentimeter in das Grundstück des Nachbars hereinragte und unverputzt und nicht gestrichen war. Die Wohnungseigentümer wollten nun noch Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 Zentimeter anbringen. Dies war dem Nachbarn dann aber endgültig zu viel. Die Wohnungseigentümer nahmen dann den Nachbarn auf Duldung in Anspruch und verwiesen auf § 16a Abs. 1 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes (NachbG Bln). Diese Vorschrift sieht vor, dass der Eigentümer eines Grundstücks die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden hat, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 02.06.2017 nun allerdings entschieden, dass sich die Wohnungseigentümer auf diese Vorschrift nicht berufen können und argumentierte mit dem Zweck der Vorschrift: Sie soll ermöglichen, dass ältere Gebäude wärmegedämmt werden können, ohne dass der Nachbar dies verhindern kann. Das Mehrfamilienhaus, um das es in dem Urteil ging, ist allerdings kein älteres Gebäude, welches zu einer Zeit errichtet wurde, in der Wärmedämmung noch ein Fremdwort war. Der Bauträger hätte beim Bau des Gebäudes die Wärmedämmung berücksichtigen müssen. Die Wohnungseigentümer können vom Nachbarn nicht verlangen, dass dieser nun eine Grenzüberschreitung duldet, nur weil die Wärmedämmung bei der Planung nicht berücksichtigt wurde.

Für Architekten bedeutet dies: Wird die Wärmedämmung bei der Planung nicht berücksichtigt, kann dies eine schuldrechtliche Pflichtverletzung darstellen, für die der Architekt in Anspruch genommen werden könnte. Neubauten müssen die Wärmedämmung mit einplanen.

 

Prof. Peter Matthias Astner, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht an der Hochschule Rosenheim

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